Sonntag, 21. September 2014

Sonntagstext - 21.09.2014

LiebeFreunde des Blogs,


da für diesen Sonntag kein Text eingegangen ist, melde ich mich persönlich zu Wort, um mal meinen täglichen Grant loszuwerden. Denn täglich ärgere ich mich über die dämlichen Überschriften in diversen Gazetten.
Eine der dümmsten Ansagen (aufgefunden im regionalen Blättchen) war dereinst für mich: "Ingenieure in neuen Räumen"; dumm auch im Spiegel: "Promi-Apell vor Referendum: Schottet euch nicht ab!".

Zum neuen Schuljahr musste ich vor einigen Tagen lesen: "Großer Tag mit großer Tüte" oder  gestern in der SZ: "Der Herr der Ringe", so wurde ein Bericht über Lothar Matthäus' bevorstehende 5. Hochzeit betitelt.

Menschen, die solchen Unsinn verzapfen sind vom sog. "Phrasendrang" befallen. Dabei handelt es sich um eine eher harmlos verlaufende Krankheitsform der „Obsessive Compulsive Disorder“
(„OCD“), zumal der Leidensdruck für den Erkrankten eher geringfügig ist. 


 Bei Wikipedia wird die Krankheit, die zu den psychischen Störungen zählt, wie folgt beschrieben (Zitat): 
"... Es besteht für den Betroffenen ein innerer Drang, bestimmte Dinge zu denken und/oder zu tun. Der Betroffene wehrt sich gegen das Auftreten der Zwänge; er erlebt sie als übertrieben und sinnlos, kann ihnen willentlich jedoch meist nichts entgegensetzen. Die Störung bringt deutliche Belastungen und Beeinträchtigungen des Alltagslebens mit sich. Ältere Bezeichnungen für Zwangsstörungen sind Zwangserkrankung, Zwangsneurose und anankastische Neurose. Die Zwangsstörung ist von der zwanghaften Persönlichkeitsstörung sowie von Zwangssymptomen im Rahmen anderer psychischer oder neurologischer Erkrankungen zu unterscheiden."

Welcher Personenkreis in unserem Falle neigt dazu, sich zu infizieren? Es handelt sich in erster Linie um Zeitungsredakteure, Fernsehjournalisten und um andere Medienmenschen. Eher selten sind Schriftsteller (ausgenommen davon die Lyriker) betroffen, äußerst häufig hingegen „Kabarettisten“.
Bei erkrankten Autoren wie Lyriker wiederum kann zumeist auch eine große Abneigung gegenüber Schreib- und Lyrikseminaren diagnostiziert werden.


Reinhard Mermi
(Blogredaktion)

Sonntag, 14. September 2014

Sonntagstext - 14. September 2014



„Sonnseitig Schattseitig“ 

von Anna Aldria

Verlag Styria Regional ISBN 978-3-7012-0177-8

Erzählungen aus dem Steirischen Himmelreich


Acht Erzählung aus dem Südsteirischen Weinland, dem Steirischen Himmelreich, wie es die Autorin selbst bezeichnet. Zu einem Himmelreich gehört die Musik dazu, schön, dass sich die Autorin für Schubert, Mendelsohn, Haydn ... annimmt und ihre Protagonisten mit Musik dieser Art leben (und sterben) lässt. Ja, sterben. Auch das gehört zum Himmelreich, denn ohne das Sterben, kämen wir ja nie ins Himmelreich, denn das irdische, gar das Südsteirische das die Autorin da schildert ist stellenweise gar nicht himmlisch! Gestorben wird viel, manches Mal auch mit Nachhilfe, gelogen wird, betrogen, ausgegrenzt, verleumdet, alles sehr irdisch! Nein, Gott sei Dank kein weiterer Dorfkrimi, auch wenn es Ansätze dazu gibt. Aber die Autorin (er-)findet eine Mordwaffe, die es bisher noch nicht gab in der Krimigeschichte.
Burghardt Spinnen sagte 2013 in Klagenfurt, er will keine Dorfgeschichten mehr lesen. Gut, wer ist Burghard Spinnen schon, außer (nun auch schon ehemaliger) Vorsitzender der Bachmannpreis-Jury? Aber es hat schon was auf sich, man fürchtet sich ein wenig, hat ja schon einiges in der Art gelesen. Man kennt das Milieu, weiß, der Land-Wirt kommt in die Stadt – dann gar in den Dom zu Graz zu einem Konzert – ist informiert über die Sprachlosigkeit der Menschen „am Land“ die oft auch mit Verschlagenheit gleichgesetzt wird. Man kennt das alles aus unzähligen Erzählungen, Romanen. Und doch etwas ist in diesem acht Erzählungen ein wenig anders. Es sind die Frauen, die stark sind, stark leben, stark sterben. Nein, keine kämpferisch-feministische Literatur, aber den Frauen wird in den Erzählungen der Platz zugeteilt, den sie im Leben auch einnehmen. Wenn die Julia in einer hellen Nacht aus Angst um ihre Blumen den schnarchenden Mann weckt, und der anstelle eines Liebesaktes Begonien, Pelargonien, Fuchsien und anderes Gewächs in den Keller räumen muss, dann bekommt die ländliche Idylle eine besondere Wendung.
Ja, die Frauen in diesen Erzählungen, die sind schon besondere Figuren! So sind die Land-Frauen noch nicht oft dargestellt worden, obwohl es die Klischeedarstellung auch gibt: die Unterdrückte, Ausgebeutete, Ausgegrenzte, ach ja, das gibt es alles auch. Es gibt auch die unvermeidliche Darstellung, dass alles Fremde auf dem Land noch viel fremder gesehen, erlebt wird. Da könnte man meinen, es wäre an der Zeit, dass die Schriftsteller wenigstens damit aufhören und die Landbevölkerung als ausschließlich rassistisch (um nicht Ärgeres zu verwenden) verunglimpfen. Es gibt sie ja schon, auch im Steirischen Himmelreich, die Menschen, die einem Farbigen unbekümmert, unvoreingenommen gegenübertreten. Wahrscheinlich spielt da das persönliche Erleben der Autorin auch mit.
Immerhin verbrachte Anna Aldrian nach dem Studium viele Jahrzehnte in Lateinamerika, der Rezensent sagte einmal zu ihr „in sämtlichen Lateinamerikanischen Diktaturen und immer dann, wenn dort gerade wieder eine solche ausgebrochen war“ Sie kehrte nun vor einigen Jahren mit ihrer Familie aus Südamerika in die Südsteirische Heimat zurück. Daher kann sie natürlich aus erster Hand beurteilen, wie es den „Fremden“, denen, die Anders sind, in unseren Landen geht.

Anna Aldrian hat schon viele Erzählungen in diversen Zeitschriften veröffentlicht (auch im Kapfenberger „Reibeisen“), Lesungen im In- und Ausland, auch im ORF wurden Texte von ihr gesendet. Man sollte neugierig sein, auf jene Arbeiten, die sich mit dem Leben in Lateinamerika befassen. Abgesehen von der Exotik sind diese Werke ganz anders und fern jeder „Dorfgeschichte“ – vielleicht würde die Burghardt Spinnen dann auch lesen.

Es gibt natürlich die „terzenschwangere“ zweite Stimme, die novemberkalte Mondnacht, die schweißtreibende Arbeit, der Komponist Haydn muss halt auch immer wieder der Papa Haydn sein (wie lange und wie oft noch??), die mächtigen Nussbäume im Hof usw. Schauen wir darüber hinweg – und wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein.

Wenn jemand bereit ist, den Untertitel „aus dem steirischen Himmelreich“ nicht allzu wörtlich zu nehmen und willens ist, manches auch von der Rückseite des Spiegels anzusehen, und nicht nur die weinselige, schilchertrunkene Fremdenverkehrslandschaft zu erwarten, für denjenigen ist der vorliegende Band – auch wegen der Musik, die in jeder Zeile mittönt – eine Freude. Vielleicht könnte man für einige Stellen das Wort einer fiktiven Enkelin aus der letzten Erzählung der Autorin zurufen: No lessons Granny!

Ein Buch, auch dazu geschaffen, das Steirische Himmelreich erkunden zu wollen. Und das nicht nur wegen des Welschriesling, Sauvignon blanc, Verhackerts und Brettljausn! Vielleicht hat der Leser, der dann zum Wanderer wurde auch einmal das Glück die dunkelhäutige Enkelin der Autorin zu erleben, wie sie auf der Steirischen Harmonika den Untersteirer Landler spielt.


Hans Bäck

Sonntag, 7. September 2014

Sonntagstext - 07. September 2014



Der  Unsichtbare           

von Manfred Kolb    




ich war schon früh aufgestanden, hatte die Terrassentür geöffnet und mich an meinen Schreibtisch gesetzt, um an der begonnen Kurzgeschichte weiter zu schreiben.
Die Augen auf das Display des Notebooks gerichtet verspürte ich plötzlich eine Bewegung im Raum. Ich blickte auf, konnte aber nichts entdecken, was die Bewegung ausgelöst haben könnte.
Ein Windzug konnte nicht die Ursache sein, denn draußen war es windstill. So intensiv ich auch das Zimmer absuchte, ich fand nichts, was Ursache für die kleine Unruhe war
Aber er war da. Das spürte ich mit allen Fasern meines Herzens. Er war also wieder gekommen und hatte sich bei mir eingenistet. Eigentlich hatte ich ja mit ihm gerechnet, aber nicht so früh in diesem Jahr.
Nun würde er wieder bei mir wohnen, mich begleiten, wohin mich meine Wege auch führten. Auch nachts wäre er an meiner Seite, woran ich mich langsam erst gewöhnen musste, denn ich war gewohnt, allein zu leben.
Dass er unsichtbar war wusste ich ja schon von früheren Begegnungen her. Auch dass er mit mir keine Gespräche führen würde. Es genügte ihm, einfach da zu sein.
Er war nicht aufdringlich. Er beanspruchte keinen Platz in meinem Zimmer. Er verhielt sich still und unauffällig. Das machte ihn für mich zu einem angenehmen Begleiter.
Wo er sich in den Zeiten aufhielt, wenn er nicht in meiner Nähe war, wusste ich nicht. Diese Erkenntnis blieb mir wie früher sicher auch dieses Mal verborgen.
Wie lange er bei mir bleiben würde, konnte ich nicht wissen. Seine früheren Aufenthalte waren mal von kurzer Dauer, mal zogen sie sich über viele Wochen hin. Merkwürdig war, dass er manchmal plötzlich verschwand, um nach einigen Tagen zurückzukehren.
Aber eines Tages würde es soweit sein. Er würde mich für einen längeren Zeitabschnitt verlassen. Ohne Ankündigung, ohne Hinterlassen einer Nachricht, wie das so seine Art war.
Ich muss noch nachholen, vom wem hier die Rede ist: vom Sommer natürlich.


ENDE